Vor Santa Maria della Salute |
Mit dem SUP in Venedig zu paddeln ist ein alter Wunsch von mir.
Zwei im Stil venezianischer Gondolieri fahrende Senioren auf der Alten Donau
halfen mir meinen Paddeltraum zu konkretisieren. Sie erzählten mir von der jährlich stattfindenden Vogalonga. Diese war ursprünglich eine gegen den
zunehmenden Motorbootverkehr in der Lagune gerichtete Demonstration.
Daraus entwickelte sich eine Breitensportveranstaltung die 2016 bereits zum 42.
Mal stattfand.
Vor Castello |
Mitfahren dürfen durch Muskelkraft betriebene Boote.
Vom Einerkajak bis zum mit mehr als 20 Männern und Frauen besetzten Drachenboot
sieht man fast alles was es an motor- und segelfreien Wasserfahrzeugen gibt. Etwa 1800 Boote mit
mehr als 7000 Sportlern begaben sich auf den etwa 26km langen Rundkurs. Das ist Teilnehmerrekord. Eine
Rennwertung gibt es nicht. Mit dem SUP sind wir derzeit noch Exoten. Ich
schätze, dass 2016 nur zwischen 5 und 10 Stand-Up-Paddler an der Vogalonga
teilnahmen.
Cannaregio |
Über die offizielle Vogalongahomepage melde ich mich ein
paar Wochen vor der am Pfingssonntag stattfindenden Regatta an. Eine deutschsprachige Homepage liefert mir wertvolle Tipps. Die Startgebühr ist mit etwa 20€ relativ
niedrig. Auch Thomas Houser, ein SUP-Freund aus Wien, lässt sich für
die Vogalonga registrieren.
Hinter San Marco |
Die Wettervorhersage ist schlecht. Ein paar Tage vor der
Veranstaltung ist für den Pfingstsonntag Wind mit bis zu 6 Windstärken und Regen vorhergesagt. Zum
Glück bessert sich die Vorhersage Tag für Tag zum Wochenende hin. Die Startnummern
für Thomas und mich hole ich am Samstagnachmittag beim Campo della Pescaria in
der Nähe der Rialtobrücke ab. Dabei muss ich über eine Stunde warten.
Mit Thomas am Punta Sabbioni |
In der Nacht vor dem Start gewittert es heftig. Am Morgen
zeigt sich der Himmel aber von seiner freundlichen Seite und der Wind ist nur schwach.
Es ist ziemlich kühl. Ich entscheide mich in den warmen SUP-Skin-Anzug zu
schlüpfen. Wir müssen um 6 Uhr 25 das Vaporetto vom Punta Sabbioni
nehmen. Danach wird der Schifffahrtsverkehr in der Lagune weitgehend
eingestellt. Thomas holt mich mit dem Auto von meinem Bed & Breakfast ab.
Vor der Seufzerbrücke |
Um 7 Uhr ist es sogar
in San Marco ruhig. Wir können direkt beim Dogenpalast vor der Seufzerbrücke die
Boards aufpumpen und eine kleine Aufwärmrunde unter dieser berühmten Brücke
machen. Mit der Sonne steigt auch die Temperatur schnell. Ich ziehe den
SUP-Skin doch aus und fahre in der Boardshort. Die Leash wird angelegt und beim
Start trage ich auch eine Schwimmweste. Die Nummer wird über mein Camel-Pak
gestreift. Dieser Rucksack ist mit 1,5 Liter Wasser befüllt. Im wasserfesten
Packsack habe ich zusätzlich zwei isotonische Getränke und etwas
Wechselkleidung. Die Boards lassen wir an einer Treppe im vor Wellen geschützten Hafen der Gondeln
vor dem Dogenpalast ins Wasser.
Heuer sollen sich die Boote zum Start nach ihrer zu
erwartenden Geschwindigkeit anreihen. Laut Plan soll das im Giudeccakanal
stattfinden. Die alten Hasen kümmert diese neue Regelung wenig und so fahren
alle wie gewohnt über den Canale Grande zum Becken vor dem Markusplatz. Eine Aufstellung
nach Bootskategorien ist nicht zu erkennen. Vor dem Start treffen wir auf
einen in Kroatien lebenden französischen SU-Paddler mit einem
14er-Race-Inflatable. Pünktlich um neun Uhr wird die Vogalonga mit einem gewaltigen
Böllerschuss eröffnet.
Vor dem Start im Becken vor Santa Maria della Salute |
Ich versuche im ziemlich hohen Tempo des Pulks
mitzuhalten, um nicht von hinten abgeschossen zu werden. Vor allem die großen
Ruderboote erweisen sich als dauerhafte Gefahrenquelle. Die 8er mit Steuermann
sind sehr schnell, aber extrem schwer zu manövrieren.
Die Durchschnittsgeschwindigkeit ist mit über 8km/h auf den
ersten Kilometern schnell. Ich bin nicht sicher, ob etwas Gezeitenströmung dabei eine Rolle spielt. Ich halte mich am rechten Rand des Feldes. Zu
einem ersten kleinen Stau kommt es an der Engstelle zwischen Castello und Vignole. Dort überhole ich einige zuvor schneller fahrende Ruderboote. Diese kommen bei dem Gedränge schlecht weiter. Ein holländischer
Damen-4er mit Steuermann fährt etwa mein Tempo und ich fahre in seiner
Heckwelle. So fühle ich mich sicher. Links und rechts überholt wegen der
holländischen Ruderriemen niemand. Nach vorne machen sie mir den Weg frei.
Bei San Erasmo |
Vor Burano |
Das letzte Stück vor Burano ist viel Platz und ich
fahre allein. Viele Paddler nützen die flachen Sandbänke vor dieser Laguneninsel für eine längere Rast. Ich fahre weiter. Burano ist berühmt für seine farbenprächtigen Häuser.
Meine Familie winkt mir vom Kai aus zu.
Burano |
Vor Burano liegen fast 5 Kilometer offene Lagune bis Murano.
Mittlerweile schwitze ich unter meiner Schwimmweste sehr stark. Die Lagune
zeigt sich ruhig, der Wind ist schwach. Ich lege neben einer roten
italienischen 4er-Gondel an, ziehe mir meine Schwimmweste aus und montiere die
Startnummer am Packsack. Matteo, einer der vier Italiener, schenkt mir eine
Banane an und eine Flasche Iso-Drink. Die Italiener wünschen mir viel Glück,
ich paddle weiter.
Bei der Einfahrt zu Murano muss man eine scharfe Rechtskurve
absolvieren. Für viele Ruderboote eine echte Herausforderung. Je nach
Fahrkönnen und Bootslänge gelingt dieses Manöver unterschiedlich gut. Dabei
entstehen ungemütliche, kreuzlaufende Wellen. Zusätzlich bleiben einige
verkeilte Boote überhaupt stehen. Ich muss ebenfalls zwischen den feststeckenden Gefährten stehen bleiben. Ein kleiner Schubs befördert mich schließlich ins Wasser.
Die nachfolgenden Ruder des dänischen Damen-8ers muss ich dann einzeln über
meinen Kopf heben, um nicht getroffen zu werden. Nass geht es weiter. Die
weitere Durchfahrt durch Murano verläuft schnell und problemlos.
Nach dem Abgang in Murano |
Vor dem schon zu Venedig gehörenden Canale di Cannaregio
werden die großen Boote von der Polizei gestoppt und gestaffelt durchgelassen.
Die Polizia Lagunare muntert mich mit einem freundlichen „Bravo“ auf und lässt
mich mit dem wendigen SUP-Board gleich passieren. In Cannaregio ist die Stimmung
gewaltig. Im Gegensatz zum Canale Grande gibt es links und rechts durchgehend
Gehsteig. So haben hunderte Zuseher die Möglichkeit die Teilnehmer unmittelbar
anzufeuern. Das tun sie lautstark und begeistert. Im engen Canale kann das
SUP-Board seine Stärken ausspielen. Nicht einmal die 1er-Kajaks kommen so gut
durch den zäh fließenden Verkehr. Ich komme mir vor wie eine sich durch Großstadtstau
schlängelnde Vespa.
Canale di Cannaregio |
Schon geht es in den Canale Grande auf die letzten
Kilometer zum Ziel nach Santa Maria della Salute.
Im Canale Grande |
Etwa 26 Kilometer und 3
Stunden 35 Minuten nach dem Start stelle ich mich am Zielponton an. Mir wird
ein Nylonsäckchen mit Medaille und einer Urkunde zugeworfen. Ich quere zurück
zum Markusplatz und seinem Gondelstandplatz. Das Aussteigen zeigt sich etwas
mühsam. Die Stiege wird von einem Faltboot blockiert. Nach einigen Minuten wackeligen Stehens in der Kabbelwelle geben mir die Paddler den Weg frei.
Maria della Salute - das Ziel |
Mein Handyakku ist leer, ich kann Thomas nicht anrufen. Bis
14:30 warte ich an unserer Einstiegsstelle. Dann packe ich mein Board und fahre
mit dem Vaporetto zurück zum Punta Sabbioni. Beim Aussteigen plage ich mich im
Gedränge. Board unter eine Achsel geklemmt, Schwimmweste und Packsack in
der anderen Hand. Das Paddel steckt irgendwie dazwischen. Eine freundliche Stimme:
„Can I help you?“ „No, it´s
ok.“ Die nette Frau mit den dunklen Haaren lässt sich aber nicht von der
Hilfe abbringen. Obwohl, “I have to go more than one kilometer to my B&B.” „Das macht nichts.“ Englisch
kann ich mir sparen. Sie ist Tirolerin und meint: “Mein Mann ist noch auf dem
Wasser. Ich habe Zeit zu helfen. Das tue ich immer gern.“ Ich bin baff. Die
Einladung zum Getränk schlägt sie nach 15 Minuten Fußmarsch aus. Falls jemand
eine Helga aus dem Zillertal kennt, deren Mann an der Vogalonga 2016 teilnahm:
schöne Grüße und nochmals danke!
Resümee: Die Vogalonga ist ein beeindruckendes Erlebnis und eine gute Gelegenheit die Lagunenstadt mit dem SUP-Board zu erkunden. Abseits dieser Veranstaltung würde ich von einer Befahrung des Canale Grande und dem Bereich vor dem Markusplatz abraten. Will man doch die kleineren Kanäle mit dem SUP-Board erkunden, sollte man sich über die aktuellen Bestimmungen informieren. Es gibt Beschränkungen.
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